FOKUS
-
Veröffentlicht am 01.04.20
Kinderrechte - Kindersorgen
Kinderrechte gelten auch in der digitalen Welt, darauf hinzuweisen ist Thema und Auftrag des Projekts kinderrechte.digital. Wir erklären, wie die Rechte von Kindern auch im digitalen Alltag respektiert und verwirklicht werden können.
Aktuell stellt die COVID-19 Pandemie alle Menschen vor neue Herausforderungen und dabei wird besonders augenfällig, was für Kinder und Jugendliche längst selbstverständlich ist: Die Unterscheidung von analog und digital, von face-to-face zu virtuell verliert an Bedeutung. Jetzt, wo persönliche Kontakte aus gesundheitlicher Vorsorge auf ein Minimum reduziert werden müssen, findet sozialer Austausch in großem Maß über das Netz statt. Meine eigene Bildschirmzeit hat sich in der vergangenen Woche im Vergleich zu vorher nahezu verdoppelt - weil ich mit meinen Kolleg*innen und anderen Gesprächspartner*innen nicht mehr am Besprechungstisch sitze, sondern über eine Online-Anwendung per Laptop oder Smartphone kommuniziere. Unser aller Alltag ist auf einen Schlag viel digitaler geworden, als wir uns vor ein paar Wochen noch vorstellen konnten.
Was bedeutet dies für die Rechte von Kindern, für die ihnen zugestandenen Freiheiten und für den von ihnen benötigten Schutz gemäß der jeweiligen Artikel der UN-Kinderrechtskonvention?
Kinder haben ein Recht auf Bildung (Art. 28), doch um dieses Recht wahrzunehmen, ist nicht nur Eigeninitiative der Kinder selbst und ihrer Eltern gefragt. In Familien, wo zwei Erwachsene und mehrere Kinder sich normalerweise die Hardware teilen, kann es nun schwierig werden, Homeoffice und Schularbeiten unter einen Hut zu bringen. Soziale Benachteiligung wird weiter verschärft, wo Familien die benötigte technische Ausstattung und ein ausreichender Internetzugang fehlt. Wenn das Recht auf Spiel und Freizeit, auf Teilhabe an Kunst und Kultur (Art. 31) nur noch zu Hause ausgeübt werden kann, weil Spielplätze und Jugendfreizeitheime geschlossen sind, wird die Geduld auf eine harte Probe gestellt. Gleichzeitig gibt es berechtigte Hinweise darauf, dass mit mehr Online-Zeit auch das Risiko für Kinder steigt: Unerwünschte Kontakte in Onlinespielen, Konfrontation mit ungeeigneten Inhalten oder unseriöse Kaufangebote können leicht zu einer Gefährdung führen. Dann sind die Schutzrechte nach Art. 17 (Jugendmedienschutz), Art. 19 (Schutz vor kommerzieller Ausbeutung) oder Art. 34 (Schutz vor sexuellem Missbrauch) tangiert. Derzeit liegt die Hauptlast, den Kindern einen sicheren Umgang mit digitalen Medien zu ermöglichen, auf den Schultern der Eltern. Dabei brauchen sie Unterstützung und es bedarf eines verantwortungsvollen Handelns der Plattformbetreiber, so wie es die Novellierung des Jugendschutzgesetzes zu vorsieht.
Bei allem Schutzbedürfnis haben Kinder aber auch in diesen Zeiten ein Recht auf Privatsphäre (Art. 16). Sie müssen mit ihren Freunden in Kontakt bleiben können, ohne dass Eltern oder Geschwister „alles mitkriegen“, und sie müssen auch sicher sein, dass die Inhalte ihrer Kommunikation nicht für Unbefugte sichtbar sind. Gerade jetzt brauchen Kinder und Jugendliche auch außerhalb der Familie Anlaufstellen, bei denen sie sich vertraulich Rat und Hilfe holen können. Gemeinsam mit Beratungsstellen aus ganz Deutschland arbeitet das Projekt Kinderrechte.digital daran, dass dies im Einklang mit den Vorgaben der EU-Datenschutz-Grundverordnung möglich ist. In der aktuellen Situation verstärkt das Bundesfamilienministerium die Unterstützung für Beratungsdienste, damit diese mit ihren Angeboten der steigenden Nachfrage durch Kinder und Jugendliche gerecht werden können, s. dazu die Pressemitteilung des Ministeriums mit Links zu einer Auswahl von Angeboten.
In der Politik wie in der Verwaltung, im familiären wie im weiteren sozialen Umfeld soll das Wohl des Kindes bei allen Entscheidungen Vorrang haben. Das ist das Grundprinzip der UN-Kinderrechtskommission, welches auch in schwierigen Zeiten wie diesen Geltung behalten muss. Die bisher eher abstrakt wahrgenommene Bedeutung der Digitalisierung wird nun im Alltag für jede*n deutlich. In der Zukunft gilt es, diese Veränderungen ebenso aufmerksam wie kritisch zu begleiten und das darin liegende Potenzial für die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft, für die Verwirklichung der Kinderrechte und für ein gutes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen mit Medien zu nutzen.
-
Veröffentlicht am 06.03.20
Aufruf zur Beteiligung am Programm des IGF 2020
Jutta Croll, Stiftung Digitale Chancen
Die Multistakeholder Advisory Group der Vereinten Nationen ruft dazu auf, das Programm des Internet Governance Forums 2020 aktiv mitzugestalten. Ab sofort können Vorschläge für Workshops eingereicht werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, sich um die Organisation eines offenen Forums (nur für bestimmte Organisationstypen offen) sowie für Veranstaltungen am Day Zero (Tag vor der offiziellen Eröffnung) und für einen Stand im IGF Village zu bewerben. Erstmals sind außerdem alle Teilnehmenden mit musikalischem Talent eingeladen, bei der IGF Music Night die Bühne zu rocken.
Die Deadline für die Einreichung von Vorschlägen wurde aktuell verlängert bis 22. April 2020, Mitternacht!.
Das 15. Internet Governance Forum findet auf Einladung der polnischen Regierung vom 2. - 6. November 2020 in Kattowitz unter dem Hauptthema Internet United statt. Um an die Ergebnisse des IGF 2019 in Berlin anzuknüpfen, werden die drei Themenstränge des Vorjahres "Data", "Inclusion" und "Trust" auch in Polen fortgesetzt und um das Thema "Umwelt" als vierten Strang erweitert.
Fragen, die die Rechte von Kindern betreffen, sind in allen vier Themenbereichen von großer Bedeutung. Aspekte des Schutzes und der Sicherheit finden sich vor allem im Themenstrang "Trust". Angesichts der derzeit erarbeiteten Allgemeinen Bemerkung zur UN-Kinderrechtskonvention in Bezug auf das digitale Umfeld wird das IGF 2020 eine hervorragende Gelegenheit sein, diese Fragen mit einer Vielzahl von Akteur*innen aus aller Welt weiter zu vertiefen.
Wir freuen uns, wenn die Kinderrechte-Community sich wie im letzten Jahr aktiv in die Programmgestaltung einbringt und Vorschläge entwickelt. Bei der Einreichung von Workshop-Vorschlägen ist es besonders wichtig, die Diversität der Akteure in Bezug auf regionale Herkunft, gesellschaftliche Gruppen, Geschlecht und Alter zu gewährleisten. Melden Sie sich gern bei uns unter jcroll@digitale-chancen.de, wenn Sie Themenvorschläge einreichen möchten und Unterstützung bei der Ansprache internationaler Partnerorganisationen oder der Auswahl der Sprecher*innen benötigen. Auch bei der Formulierung der im Einreichungsformular anzugebenden Informationen helfen wir gern.
-
Veröffentlicht am 18.02.20
Jugendschutz: Im Mittelpunkt das Kind
Jutta Croll, Stiftung Digitale Chancen
Seit einer Woche liegt - passend zum Safer Internet Day - der Referentenentwurf zur Novellierung des Jugendschutzgesetzes zur Verbände-Anhörung vor. Die Anpassung der Gesetzgebung an die durch die Digitalisierung veränderten Lebenswelten von Kindern ist längst überfällig. Neu ist, dass sich der jetzt vorliegende Entwurf zum ersten Mal ausdrücklich auf ein Prinzip stützt, dem sich die Bundesregierung durch die Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet hat. Dort heißt es in Artikel 3:
„Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“
Eine entsprechende Formulierung enthält auch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union aus dem Jahr 2000 in Artikel 24 (2).Neu ist auch, dass der Gesetzentwurf zur Verbesserung des Jugendschutzes „auch außerhalb der medieninhaltlichen Wirkung liegende Umstände der jeweiligen Nutzung des Mediums“ als relevant für die Beurteilung der Entwicklungsbeeinträchtigung erachtet und folgerichtig verlangt, „nach konkreter Gefahrenprognose als erheblich einzustufende Risiken für die persönliche Integrität von Kindern und Jugendlichen [...] angemessen zu berücksichtigen.“ (Art. 10b JuSchGÄndG-E). Solche Risiken entstehen vor allem durch die Möglichkeiten der Interaktion und Kommunikation, die digitale Medien Kindern und Jugendlichen heute bieten. Dies ist eine Erkenntnis aus dem Gefährdungsatlas, den die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien im Rahmen einer Zukunftswerkstatt gemeinsam mit vielen Akteur*innen in den vergangenen Monaten erarbeitet hat. Ein moderner Jugendmedienschutz muss demzufolge über die Beurteilung von medialen Inhalten hinausgehen und Maßnahmen zur Prävention und Regulierung der Interaktionsrisiken vorsehen.
Im Gesetzentwurf ist die Förderung der Orientierung für Kinder und erziehungsverantwortliche Erwachsene im digitalen Dschungel der Mediennutzung und Medienerziehung ebenso verankert wie regulatorische Instrumente zur Erreichung der Schutzziele. Angelehnt an das bereits sehr alte Rechtsprinzip der „duty of care“ sollen die Anbieter von Plattformen, die von einer nennenswerten Anzahl von Kindern und Jugendlichen genutzt werden, ihrer Fürsorge- oder Sorgfaltspflicht gegenüber den minderjährigen Nutzer*innen durch strukturelle Vorsorgemaßnahmen nachkommen; in Betracht kommen u. a. kindgerechte Melde- und Abhilfeverfahren sowie „Voreinstellungen, die Nutzungsrisiken für Kinder- und Jugendliche unter Berücksichtigung ihres Alters begrenzen“ (Art. 24a JuSchGÄndG-E). Die internationale Anschlussfähigkeit dieses Ansatzes zeigt sich beim Blick auf die Vorhaben der britischen Regierung im Jugendmedienschutz. Im Gegensatz zur E-Commerce-Richtlinie, die die Anbieter erst zum Handeln verpflichtet, wenn diese tatsächliche Kenntnis von einem Rechtsverstoß innerhalb ihres Dienstes haben - was die Anbieter i. d. R. dazu veranlasst, diese Kenntniserlangung möglichst zu vermeiden - tritt nach der „duty of Care“ die Verpflichtung zur Fürsorge bereits bei vorhersehbaren Folgen ein. Zweifellos zählt die Kontaktanbahnung zu Minderjährigen durch diesen unbekannte Personen, zu den in Social-Media-Plattformen durchaus vorhersehbaren Risiken.
Aber, der Weg scheint noch weit: Schaut man sich die parallel zur Verbändeanhörung in den Medien bereits öffentlich geführten Debatten um die JuSchG-Novellierung an, so entsteht der Eindruck, dass der Blick für das Wesentliche, nämlich der Vorrang des Kindeswohls, verloren gegangen ist.
Es bleibt zu hoffen, dass die Entscheidungen im Gesetzgebungsprozess das Kind in den Mittelpunkt stellen und - so wie es Art. 3 UN-KRK verlangt - von der Überlegung geprägt sind, wie die Interessen von Kindern angesichts der Digitalisierung am besten gewahrt werden können.
-
Veröffentlicht am 11.02.20
Wenn ich groß bin, werde ich ...
Jutta Croll, Stiftung Digitale Chancen
Am 13. Februar, dem Safer Internet Day 2020, beteiligen sich weltweit Akteure aus mehr als 150 Ländern an der Umsetzung von Maßnahmen zum Schwerpunktthema "Together for a better internet". #checkwemdufolgst ist das Motto, das die Initiative klicksafe.de als deutscher Koordinator für den SID 2020 gesetzt hat. Dabei geht es vor allem um die Rolle von Influencer*innen in sozialen Medien und den bewussten Umgang damit. Influencer*innen sind Personen, die mit ihren persönlichen Profilen Social-Media-Kanäle bespielen. Durch ihre starke Präsenz, ihr hohes Ansehen und ihre Reichweite in sozialen Netzwerken sind sie in der Lage, die Meinung anderer zu beeinflussen.
Aus kinderrechtlicher Sicht sind hier verschiedene Aspekte relevant: Einerseits sind die Rechte von Kindern als Publikum oder Follower von Influencer*innen und andererseits die Rechte von Kindern, die selbst als Influencer*innen agieren, zu betrachten.
Durch die Vielzahl von unterschiedlichen Formaten ist es selbst für Erwachsene oft schwer zu erkennen, ob es sich bei den auf den Kanälen der Influencer*innen verbreiteten Inhalten um reine Selbstdarstellung, bewusste Einflussnahme auf die Haltung und Meinung der Rezipient*innen oder um kommerzielle Produktplatzierung handelt. Kindern, die über geringere Erfahrungen mit der Unterscheidung von redaktionellen Inhalten und Werbung verfügen, fehlt hier häufig der Kompass. Ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und die Freiheit, sich Informationen zu beschaffen (Art. 13 UN-KRK), kann durch „verdeckte“ Botschaften in den von Influencer*innen verbreiteten Inhalten berührt werden. Zugleich können Werbebotschaften, wenn sie subtile Kaufanreize setzen oder gar aggressiv kindliche Bedürfnisse ansprechen, das Recht des Kindes auf Schutz vor kommerzieller Ausbeutung (Art. 32) verletzen.
Kinder und Jugendliche treten heute aber vermehrt auch selbst als Influencer*innen in sozialen Medien auf. „Meistens sind die jungen Internetstars in Videos oder auf Bildern zu sehen, wie sie Spielzeug und andere Produkte testen und bewerten, Kleidung anprobieren, Schmink- und Stylingtipps oder persönliche Empfehlungen und Meinungen geben.“, schreiben Bettina Goerdeler und Anna Grebe vom Initiativbüro „Gutes Aufwachsen mit Medien“ in einem Artikel in der Zeitschrift „Frühe Kindheit der Dt. Liga für das Kind“, 2/2019, S. 42 - 49. Das macht die Kanäle der Minderjährigen attraktiv als Werbeträger für Unternehmen, teilweise werden sie zu einer lukrativen Einnahmequelle für die Familien. Goerdeler und Grebe weisen darauf hin, dass Kinder, die in dieser Weise als Influencer*innen agieren, ihre Selbstbestimmtheit verlieren können und dass ihre sozialen Interaktionen zunehmend kommerzialisiert werden. Auch hier stellt sich die Frage, ob der Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung gemäß Artikel 32 noch gegeben ist, insbesondere da die für die Werbewirtschaft geltenden Regelungen zum Schutz von Kindern bei der privaten Produktion von Online-Content bisher nicht greifen.
Die teils tiefen Einblicke, die Kinderinfluencer*innen in ihren Lebensalltag durch die Veröffentlichung von Fotos und Videos im Internet geben, bergen die Gefahr der Verletzung ihrer Privatsphäre (Art. 16). Die Minderjährigen sind meist noch zu jung, um selbst abschätzen zu können, welche Folgen diese Form der Selbstdarstellung für ihr weiteres Leben haben kann. Sie sind zudem potenziell der Kontaktaufnahme durch Personen aus dem Kreis ihres Publikums ausgesetzt, ohne deren wahre Identität zu kennen. Dabei besteht auch das Risiko der Verletzung des Rechts auf Schutz vor sexuellem Missbrauch (Art. 34).
Nicht zuletzt kommt es auch durch die Kinderinfluencer*innen selbst in einigen Fällen zur Missachtung von Persönlichkeitsrechten anderer Kinder, wenn diese zum Beispiel ungefragt in den geposteten Inhalten zu sehen oder zu hören sind.
Influencer*innen sind die Heldinnen und Helden der Kinder von heute: Eine Internetsuche mit dem Begriff „Berufswunsch Influencer“ liefert mehr als 10.000 Ergebnisse, und das Online-Magazin „ZEITjUNG“ titelt „Wenn ich groß bin, werd‘ ich Influencer!“. Damit Kindheit auch im Zuge der digitalen Transformation unserer Gesellschaft ein unbeschwerter Lebensabschnitt bleibt, müssen die Rahmenbedingungen neu ausgehandelt und gestaltet werden. Für ein gutes Aufwachsen in der digitalisierten Welt brauchen Kinder Orientierung und Unterstützung. Sie brauchen Kenntnis von ihren eigenen Rechten sowie Regeln, die sie verstehen und nach denen sie selbst handeln können; dazu gehört zum Beispiel, Bilder von anderen nur mit deren Zustimmung ins Netz zu stellen. Neben dem pädagogischen Handeln, braucht es aber auch einen gesetzlichen Rahmen, der neue Formen der Kommerzialisierung von Kindheit berücksichtigt und die Achtung der Rechte von Kindern gewährleistet. So können wir das Schwerpunktthema des SID 2020 „Gemeinsam für ein besseres Internet“ umsetzen.
-
Veröffentlicht am 18.12.19
Danke Berlin, willkommen Kattowitz: Kinderrechte auf der Agenda des IGF 2020
Jutta Croll, Stiftung Digitale Chancen
Für die Multistakeholder Advisory Group (MAG) der Vereinten Nationen zum Internet Governance Forum hat der UN-Generalsekretär António Guterres während des IGF 2019 neun neue Mitglieder berufen. Mit Anriette Esterhuysen wurde erstmals eine Vertreterin der Zivilgesellschaft zur Vorsitzenden der MAG berufen. Für das Projekt Kinderrechte.digital unterstützt Jutta Croll die Arbeit des MAG auch in 2020.
Das neu konstituierte Gremium hat in seiner ersten virtuellen Sitzung am 17. Dezember mit den Vorbereitungen für das IGF 2020 in Kattowitz begonnen, die Zusammenfassung der Besprechungen werden regelmäßig unter https://www.intgovforum.org/multilingual/content/mag-meeting-summaries veröffentlicht. Vom 14. bis 16. Januar wird die erste offene Konsultation des MAG in Genf stattfinden, die Registrierung für das Meeting steht jeder Person offen, sie ist erforderlich für den Einlass in das Palais der Vereinten Nationen.
Menschenrechte mit einem besonderen Fokus auf den Rechten und dem Schutz von Kindern und Jugendlichen im digitalen Umfeld waren ein thematischer Schwerpunkt des IGF 2019, der sich auch in der Eröffnungsrede von Bundeskanzlerin Angela Merkel wiederfindet. Daran werden wir anknüpfen, damit im Programm des IGF 2020, das vom 2. bis 6. November in Kattowitz in stattfinden wird, die Interessen von Kindern und Jugendlichen angemessen berücksichtigen werden. Die Termine für die Beteiligung der Community (Call for issues / Call for proposals) werden wir hier rechtzeitig ankündigen; wenn sie die Ankündigungen direkt erhalten möchten, melden Sie sich bitte hier für unseren Kinderrechte-Newsletter an.
-
Veröffentlicht am 03.12.19
Beteiligung und die Rechte junger Menschen im Fokus des Internet Governance Forum 2019
Eine Woche internationaler fachlicher Austausch auf höchster Ebene zu Fragen der Internet Governance ist am Freitagabend mit der Closing Ceremony zu Ende gegangen. Die Themen Kinderschutz und Kinderrechte wurden dabei so umfassend verhandelt wie bei keiner der vorhergehenden Auflagen des IGF.
High Level Panels und General Comment
Den Auftakt machten die Diskussionsrunden des von der deutschen Bundesregierung organisierten High Level Internet Governance Exchange am Vormittag des 25. November. Nach einer Rede von Wirtschaftsminister Altmaier wurden in neun Panels mit hochrangiger Beteiligung von Regierungs- und Wirtschaftsvertretern sowie der Zivilgesellschaft und der Technical Community die drei thematischen Tracks des IGF 2019 „Data Governance“, „Digital Inclusion“ und „Security, Safety, Stability & Resilience“ behandelt, um erste Impulse für das Programm der vier folgenden Tage zu entwickeln. Dabei wurde im Panel „Safety and the Right to Protection“ der Anspruch von Kindern und Jugendlichen auf einen sicheren Erfahrungsraum als eine auf die UN-Kinderrechtskonvention gestützte Forderung erhoben. Vertieft wurde die Bedeutung der Kinderrechtskonvention für ein gutes Aufwachsen mit Medien am Nachmittag in dem von der britischen 5Rights Foundation organisierten Workshop „Children’s Rights - a Case for Internet Governance“ (Pre-Event 18). Rund einhundert Teilnehmende informierten sich über den Stand der Arbeiten an einer Allgemeinen Bemerkung (General Comment) zur UN-KRK mit einem Fokus auf Kinderrechten im digitalen Umfeld und bekräftigten die Notwendigkeit, Kinderrechte im Lichte der digitalen Transformation der Gesellschaft neu zu verstehen sowie das Potenzial der Digitalisierung für die Verwirklichung der Kinderrechte zu nutzen.
Dynamic Coalition und DHKW
Am Dienstag, dem ersten offiziellen Tag des Internet Governance Forums, stand bereits morgens der Workshop der Dynamic Coalition on Child Online Safety (DC COS) auf dem Programm. Diskutiert wurde die Verwirklichung des Kinderrechts auf Spiel, Freizeit und kulturelle Teilhabe gemäß Art. 31 UN-KRK. Zunächst wurden die verschiedenen Geschäftsmodelle von Onlinespielen und die teilweise aggressiven Vermarktungsstrategien der Anbieter vorgestellt sowie die sich daraus für Kinder ergebenden Risiken der kommerziellen Ausbeutung und exzessiven Nutzung erörtert. Gefährdungspotenziale liegen darüber hinaus vor allem in der Kommunikation und Interaktion, die parallel zu den Spielaktivitäten geführt werden. Die Alterseinstufung von Spielen und Apps basiert in der Regel auf ihrem Inhalt, wodurch weder das Risiko unangemessener Kontakte noch das Risiko von In-App-Käufen oder Beuteboxen erkennbar wird. Selbstregulierung als Instrument eines wirksamen Jugendschutzes wird heute weithin als gescheitert erachtet, gerade auch in Bezug auf Spiele. Daher seien effektive Regulierungsmaßnahmen erforderlich, so die überwiegende Meinung. Die Online-Spiele-Industrie müsse in Bezug auf ihre Kommerzialisierungsstrategien sowie im Hinblick darauf, was Kindern in Spielumgebungen begegnen kann, transparenter werden, lautete eine Forderung aus der Session.
Das Kinderrecht auf Datenschutz und Privatsphäre stand am Mittwochvormittag im Mittelpunkt eines vom Deutschen Kinderhilfswerk in Zusammenarbeit mit Media Monitoring Africa organisierten Workshops (WS 170). Dabei wurde der Anspruch geltend gemacht, die Rechte von Kindern grundsätzlich in allen Fragen der Internet Governance zu berücksichtigen. Zugleich müssten Kinder über ihre Rechte informiert sein und deren Verwirklichung selbst aktiv einfordern. Die Vermittlung von Medienkompetenz in den Schulen und verantwortliches Handeln der Plattformanbieter wurden als wesentliche Bausteine genannt.
Vier Veranstaltungen an einem Tag
Am Donnerstag war das Thema mit vier Workshops von 9.30 bis 18.10 Uhr kontinuierlich auf der Agenda. Den Auftakt machte eine Session, in der es um Maßnahmen gegen Hassrede ging (WS 150). Auch hier wurde Regulierung - wie zum Beispiel das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz - als wichtiges Instrument neben Medienkompetenz für Kinder und Erwachsene genannt. Plattformanbieter sollten ihre Maßnahmen gegen Hate Speech mit ihren Nutzer*innen weiterentwickeln, Parlamentarier sich weltweit über gesetzliche Rahmenbedingungen in ihren Ländern austauschen.
Direkt im Anschluss wurden die Ergebnisse der Global Kids Online Studien vorgestellt (WS 137). Ergebnisse aus weltweit auf der gleichen Methodologie beruhenden Erhebungen seien eine wichtige Voraussetzung um Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen zu entwickeln und die Implementierung bei global agierenden Plattformanbietern zu bewirken, so die Sprecher*innen.
Cyberbullying bzw. Cybermobbing stand im Mittelpunkt einer von UNICEF China und der chinesischen Vereinigung der Internet Society organisierten Session (WS 95). Hier wurde ein vor allem aus der zunehmenden Interaktion und Kommunikation von Kindern und Jugendlichen im Netz resultierendes Phänomen behandelt. Aufgrund der Persistenz von Internetinhalten und der zunehmenden mobilen und damit im Bereich der persönlichen Privatsphäre von Kindern stattfindenden Internetnutzung, kann Cybermobbing erhebliche Konsequenzen für die Persönlichkeitsentwicklung haben. Allerdings ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die derartige negative Erfahrungen machen, nach wie vor gering und liegt nach den derzeitigen wissenschaftlichen Studien im Bereich von unter 10 Prozent. Die Förderung der Medienkompetenz und moderierte Kommunikationsräume können maßgeblich zur Reduzierung des Risikos beitragen. Aus kinderrechtlicher Sicht sind ausgewogene Maßnahmen erforderlich, welche die Freiheitsrechte von Kindern nicht einschränken. Die Überwachung von Kindern und Jugendlichen dürfe nicht als adäquates Mittel angesehen werden, so die einhellige Forderung im Workshop.
Mit der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen und der Befähigung zum Selbstschutz befasste sich ein weiterer vom DKHW organisierter Workshop (WS 23). Hier wurde angeregt, bei der Gestaltung von Angeboten und Diensten die Rechte von Kindern zu berücksichtigen. Aber auch die Zusammenarbeit zivilgesellschaftlicher Akteure wurde als wichtig erachtet, um eine Lobby für Kinderrechte zu schaffen. Man dürfe nicht darauf warten, dass Politik und Wirtschaft bei diesem Thema vorangingen, vielmehr müssten Kinder und Jugendliche selbst aktiv werden und die Verwirklichung ihrer Rechte fordern.
Menschenrechte im Fokus
Angesichts der Bedrohung einer Fragmentierung des Internets und nach wie vor erheblichen Unterschieden im Hinblick auf Zugangs- und Nutzungsmöglichkeiten ist es nicht verwunderlich, dass die Menschenrechte im Fokus vieler Debatten des IGF standen - nicht nur in den Sessions, in denen es um Kinder und Jugendliche und deren Rechte ging.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in ihrer Eröffnungsrede die Bedeutung eines freien und offenen Internets hervorgehoben und zugleich darauf hingewiesen, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung nur soweit gehen darf, wie es nicht die Sicherheit anderer - insbesondere die von Kindern - gefährdet. Dieser Denkanstoß ist offensichtlich auf fruchtbaren Boden gefallen, er findet sich in vielen Berichten aus den Sessions des IGF 2019 wieder.