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FOKUS


Veröffentlicht am 22.05.17

Die Welt verändert sich - Über das Aufwachsen in der digitalen Welt

Jutta Croll

Im Jahr 1989 wurde die Kinderrechtskonvention von den Vereinten Nationen (UN-KRK) verabschiedet. Inzwischen ist die Konvention von 195 Staaten weltweit ratifiziert worden und damit das am häufigsten anerkannte Menschenrechtsdokument der UN. Jungen Menschen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soll mit der Kinderrechtskonvention besonderer Schutz gewährt werden. Die unterzeichnenden Staaten verpflichten sich zur Umsetzung und Gewährleistung der in den 41 Artikeln des völkerrechtswirksamen Vertragswerks festgeschriebenen Freiheits- und Schutzrechte.

Menschenrechte stehen jedem Menschen gleichermaßen zu, ungeachtet des Alters. Der UN-Kinderrechtskonvention liegt die Überlegung zugrunde, dass es für das Wohlergehen von Kindern unter 18 Jahren wichtig ist, ihre Rechte besonders hervorzuheben, sie zu schützen und die dazu erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Zeitgleich mit der UN-KRK wurde am CERN Forschungszentrum in Genf durch Tim Berners-Lee das World Wide Web entwickelt. Der Programmcode, der eigentlich für den Austausch von Informationen unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geschrieben wurde, hat die Nutzung des Internet für jede und jeden ermöglicht. Global betrachtet sind heute mehr als 3 Mrd. Menschen regelmäßig mit dem Netz verbunden und nutzen Onlineservices. Ein Drittel der Internetnutzerinnen und nutzer weltweit ist unter 18 Jahre alt und damit im Sinne der UN-KRK ein Kind. In Deutschland haben laut den Erhebungen der KIM- und JIM-Studien 97 Prozenz der Kinder und Jugendlichen im Alter von sechs bis 19 Jahren zu Hause Zugang zum Internet. Es kann daher kein Zweifel bestehen, dass die Digitalisierung schon heute den Alltag von Kindern maßgeblich beeinflusst, in positiver und in negativer Weise.

Die Vereinbarungen der Kinderrechtskonvention beziehen sich auf alle Lebensbereiche, sie geben Kindern bestimmte Rechte und setzen einen Regelungsrahmen, um diesen Anspruch zu gewährleisten. Für einige Artikel wie z.B. das Recht auf freie Meinungsäußerung () und das Recht auf Zugang zu Informationen (Art. 17) sind die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Wahrnehmung der darin benannten Rechte offenkundig. Bei anderen Artikeln ist es erforderlich, genauer zu hinterfragen, welche Auswirkungen die digitalisierte Lebenswelt von Kindern auf die Ausübung der Freiheits- und Schutzrechte hat oder welche Möglichkeiten die Digitalisierung für ein erweitertes Verständnis der gewährten Rechte eröffnet. Zu letzterem zählt zum Beispiel das in Art. 12 genannte Mitspracherecht. Die angemessene Berücksichtigung der kindlichen Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten kann mittels digitaler Medien erheblich vereinfacht werden. Die Fähigkeit von Kindern, ihre eigene Position zu bestimmten Gegenständen zu entwickeln und zu äußern, wächst mit ihrem Alter. Partizipationsangebote im Internet können diesen Lern- und Entwicklungsprozess unterstützen und begleiten und so der Stimme von Kindern jeden Alters Gehör verschaffen. Auch die in Artikel 15 definierte Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit kann von Kindern ungeachtet ihres Aufenthaltsortes oder ihrer sozialen Herkunft durch das Internet und über Social Media Plattformen in vielfältiger Weise wahrgenommen werden. Ebenso eröffnen digitale Medien neue Möglichkeiten, das Recht auf Bildung durch Angebote des Onlinelernens zu erweitern. Artikel 31 betont das Recht von Kindern auf Spiel, Freizeit und Zugang zu kulturellen Angeboten; alle drei Bereiche werden von Kindern heute in zunehmendem Maß über digitale Angebote wahrgenommen. Die Bauordnungen der meisten deutschen Bundesländer schreiben die Errichtung von Kinderspielplätzen explizit vor, vielfach mit einer Altersgrenze für Kinder bis 14 Jahre, um so einen Schutzraum zu gewähren. Im digitalen Umfeld sind solche explizit für Kinder unterhalb eines bestimmten Alters gestaltete Angebote, die oft als Walled Garden bezeichnet werden, eher die Ausnahme und eine Verpflichtung, solche sicheren Bereiche zu schaffen, gibt es bisher nicht.

Artikel 19 sowie 34 und 36 fordern dazu auf, Kinder vor Gewalt, sexuellem Missbrauch und Ausbeutung zu schützen. Heute muss dieser Schutz auch im Hinblick auf durch das Internet entstehende oder verstärkte Risiken interpretiert werden.

Die UN-Kinderrechtskonvention behält auch angesichts der Digitalisierung ihre hohe Relevanz und die vorrangige Berücksichtigung des Kindeswohls hat oberste Priorität. Für die digitalisierte Lebenswelt von Kindern bedarf es nicht der Erweiterung der UN-KRK durch neue Artikel, vielmehr müssen die getroffenen Vereinbarungen neu verstanden, falls erforderlich durch eine ‚Allgemeine Bemerkung’ konkretisiert und auf die digitale Lebenswelt von Kindern angewendet werden. Aktuelle technische Entwicklungen der Digitalisierung, die sich in vernetzten Gegenständen wie Spielzeug oder Bekleidung unter dem Begriff „Internet der Dinge“ bereits abzeichnen, unterstreichen die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Begleitung und Beobachtung der Voraussetzungen für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention.