FOKUS
Veröffentlicht am 20.09.23
Nachhaltigkeit und Digitalisierung zusammendenken
Jutta Croll, SDCAm 13. September hat in Berlin das 14. Nationale Internet Governance Forum Deutschland (IGF-D) im Auswärtigen Amt in Berlin stattgefunden. Bereits am Vorabend traf sich das Jugend-IGF-D in den Räumlichkeiten von Wikimedia.
Internet Governance ist - wie das Internet selbst - weltumspannend und somit eine Aufgabe, die auf globaler Ebene bearbeitet werden muss. Dass es neben dem jährlichen Internet Governance Forum der Vereinten Nationen auch auf nationaler und regionaler Ebene Foren gibt, ist durchaus berechtigt. Es braucht den fachlichen Austausch der Akteur*innen in der jeweiligen Region, um eine gemeinsame Multistakeholder-Perspektive zu erarbeiten und diese in das globale IGF einzubringen.
Den Auftakt der Veranstaltung am 13.09. bildete eine Paneldiskussion, in der die Frage erörtert wurde, ob und wie durch den europäischen Artificial Intelligence Act (AI-Act) ein Qualitätsstandard für Künstliche Intelligenz (KI) als Katalysator für digitale Innovationen geschaffen werden kann. Das Gesetz verfolgt den Ansatz, für KI-basierte Systeme mit potenziell sehr hohen Risiken für die Gesellschaft und einzelne Personen hohe Standards zu setzen. Im laufenden parlamentarischen Verfahren wird derzeit insbesondere um die Frage gerungen, wem die Entscheidung über die Höhe des Risikopotenzials und die damit einhergehende Verpflichtung zu Einhaltung der Standards obliegen soll. Moderiert durch Julia Kloiber (Managing Director, Superrr Lab) stellten die Panelist*innen Markus Beckedahl (Gründer von netzpolitik.org; Co-Gru¨nder re:publica), Rosanna Fanni (Trade and Technology Coordinator, Centre for European Policy Studies), Linda Schwarz (Referentin für Politik und Wissenschaft, Gesellschaft fu¨r Informatik), Matthias Spielkamp (Mitgründer und Geschäftsführer, AlgorithmWatch) und Alexandra Wudel (Co-Founder and Managing Director, FemAI) das Risiko der Verletzung von Grundrechten durch unregulierte KI-Anwendungen in den Mittelpunkt der Debatte. Die potenzielle Gefährdung betreffe alle Menschen ungeachtet ihres Status oder ihrer nationalen Zugehörigkeit, dennoch müssten marginalisierte, benachteiligte oder schutzbedürftige Gruppen - wie beispielsweise Kinder - besondere Beachtung finden. Um Betroffenen von Diskriminierung oder Eingriffen in ihre Persönlichkeitsrechte Wiedergutmachung zu ermöglichen, seien Beschwerdemechanismen unerlässlich, so Spielkamp. Nach Einschätzung der Panelist*innen und Teilnehmenden sollte der AI-Act einen holistischen Menschenrechte basierten Ansatz der Standardisierung von KI-basierten Systemen verfolgen.
Friederike von Franqué (Referentin EU- & internationale Regelsetzung, Wikimedia Deutschland) besprach anschließend mit Tobias Bacherle (MdB) den Global Digital Compact des UN-Generalsekretärs und dessen Einfluss auf das Internet Governance Forum.
Im zweiten Teil des Tages übernahm das Jugend-IGF die Moderation. Mit der Verbindung von Nachhaltigkeit und Digitalisierung hat das deutsche Jugend-IGF - eine Gruppe Young Professionals, die in diesem Jahr das IGF-D vorbereitet haben - ein Thema gewählt, das ebenso einer globalen Betrachtung bedarf. Nach einem einführenden Lightning Talk von Katrin Ohlmer (Geschäftsführerin, DOTZON GmbH, Vorstandsvorsitzende ISOC.de e. V.) wurde im Lichte des Vorabend-Events unter der Überschrift „Digitale Nachhaltigkeit: Eine Chance für die Zukunft?“ über den Zusammenhang sowie die Wechselwirkungen von Digitalisierung und Nachhaltigkeit in den Bereichen „Ökologie“, „Ökonomie“ und „Soziales“ gearbeitet.

Zum Abschluss diskutierte Wolfgang Kleinwächter mit der Cyberbotschafterin der Bundesregierung Regine Grienberger die Frage, welche Rolle der Schutz von Angriffen aus dem Cyberspace in der neuen nationalen Sicherheitsstrategie vom Juni 2023 spielt. Aus einem bis dahin eher statischen Arbeitsgebiet sei, so Grienberger, durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine ein hochdynamisches Feld geworden, in dem Friedensinitiativen für den Cyberspace auf verschiedenen Ebenen erörtert würden. Für einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag gebe es jedoch weder eine Mehrheit, noch sei klar, was darin zu regeln wäre. Unter Verweis auf bestehende Normen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte sei eine Regelungslücke kaum auszumachen. Deutschland bringt sich aktiv in die Aushandlungen verschiedener Gremien der UNO für die Entwicklung kapazitäts- und vertrauensbildender Maßnahmen der Cybersecurity und ein verantwortungsvolles Verhalten von Staaten im Cyberspace ein. Darüber hinaus wirkt Deutschland mit in dem sogenannten “Ad-Hoc Committee” (AHC), in dem 193 UN-Staaten über eine neue UN-Konvention zur Bekämpfung von Cyberkriminalität beraten. Hier, so Grienberger, gebe es aber deutliche Unterschiede dahingehend, was die einzelnen Staaten unter Cybercrime verstehen. Cyberkriminalität nutze ganz gezielt diese Arbitrarität der Jurisdiktionen, gerade deshalb sei die Bekämpfung nur grenzübergreifend sinnvoll und möglich.
Ein Plädoyer für den Multistakeholder-Ansatz des IGF und damit einen runden Schlusspunkt der Veranstaltung setzte Grienberger mit ihrem Statement „Die Stabilität des Cyberspace wird nicht nur durch die Staaten gewährleistet, es braucht auch nicht-staatliche Akteure.“