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FOKUS


Veröffentlicht am 14.10.24

Eine kinderrechtliche Perspektive auf die Begrenzung der Bildschirmzeit von Kindern und Jugendlichen

Juliana Reinicke, SDC

Die Studie des Digitalverbands Bitkom vom 30.09.2024 zur Bildschirmzeit von Kindern und Jugendlichen gibt wertvolle Einblicke in das digitale Verhalten von Familien. Im Ergebnis zeigt die Studie, für die insgesamt 942 Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis 18 Jahren befragt wurden, dass knapp die Hälfte (46 Prozent) von ihren Erziehungsberechtigten in ihrer Bildschirmzeit eingeschränkt wird, sofern es sich nicht um schulische Aufgaben handelt. Mit zunehmendem Alter der Befragten nehmen diese Einschränkungen ab. Dennoch stellt sich die Frage, welche Kinderrechte dabei möglicherweise berührt werden und welche Alternativen es gibt, um Kinder in der Frage der Bildschirmzeit zu beteiligen, zu befähigen und vor Risiken im Netz zu schützen. Die UN-Kinderrechtskonvention bietet hier einen hilfreichen Rahmen, um diese Praxis zu bewerten.

Nach Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention haben Kinder das Recht, bei Entscheidungen, die ihr Leben betreffen, ihrem Alter entsprechend berücksichtigt zu werden. Dazu gehören auch Entscheidungen über die Nutzung digitaler Medien. Daher ist es wichtig, dass Erziehungsberechtigte die Entscheidung über die zeitliche Begrenzung der Nutzung digitaler Medien mit ihren Kindern besprechen, ihre Meinungen und Wünsche zur Mediennutzung berücksichtigen und sie altersgemäß in die Entscheidung einbeziehen.

„Bildschirmzeit“ wird oft als Sammelbegriff für alles verwendet, was Kinder und Jugendliche online tun. Dabei bleibt oft unberücksichtigt, dass die Nutzung digitaler Medien durch Kinder sehr vielfältig ist und zu strenge Zeitbeschränkungen diese davon abhalten können relevante soziale Interaktionen und Informationen wahrzunehmen, die zunehmend in der digitalen Welt stattfinden.

Nach Artikel 13 und 17 der UN-Kinderrechtskonvention haben Kinder das Recht auf freie Meinungsäußerung und (altersgemäße) Informationsbeschaffung. Die Herausforderung dabei ist, dass Kinder und Jugendliche dabei möglicherweise mit alters- und ihrer Entwicklung unangemessenen Inhalten, Angebotsgestaltungen oder Verhaltensweisen konfrontiert werden. Um dies zu verhindern, ist nicht unbedingt eine Begrenzung der aktiven Bildschirmzeit erforderlich, sondern vielmehr eine aktive Rolle der Erziehungsberechtigten oder auch pädagogischer Fachkräfte bei der Vermittlung eines verantwortungsvollen Umgangs mit digitalen Inhalten. Die Förderung der Medienkompetenz, der Einsatz von Informations- und Aufklärungskampagnen durch die Vertragsstaaten sowie die Gestaltung von sicheren Angeboten und vielfältigen Inhalten werden daher auch in der Allgemeinen Bemerkung Nr. 25 zu den Rechten des Kindes im digitalen Umfeld betont.

Weiterhin verdeutlicht die Studie, dass das Setzen von Zeitlimits durch die Erziehungsberechtigten einem Schutzgedanken entspringt. Eltern wollen ihre Kinder und Jugendliche vor potenziellen Risiken digitaler Medien schützen. Auch Artikel 19 der UN-Kinderrechtskonvention fordert den Schutz von Kindern vor wirtschaftlicher, sexueller und weiteren Arten von Gewalt. Um Kinder vor allen Formen der Ausbeutung zu schützen und ihr Wohlergehen im digitalen Umfeld zu gewähren sollen die Vertragsstaaten gemäß der Allgemeinen Bemerkung Nr. 25 zu den Rechten des Kindes im digitalen Umfeld Gesetze und Maßnahmen verabschieden, die dies sichern.

Zu den oft unberücksichtigten Kinderrechten gehört auch das Recht des Kindes auf Ruhe und Freizeit, auf Spiel und altersgemäße aktive Erholung (Art. 31). Für Kinder und Jugendliche, die in einer digitalen Welt aufwachsen, können digitale Spiele notwendige Möglichkeiten bieten, die das traditionelle (Offline-)Spielen kompensieren, ergänzen oder erweitern. Das Spielen von Kindern und Jugendlichen in digitalen Kontexten wird jedoch auch kontrovers diskutiert, da sich dort zum Teil auch Risiken verbergen, bspw. für ihre Gesundheit. Daher ist es notwendig, dass Online-Spieledienste kindgerechte Ansätze verfolgen, um Kinder und Jugendliche vor Risiken für ihre persönliche Integrität zu schützen.

Darüber hinaus wird in der Öffentlichkeit und teils in Fachkreisen kritisch diskutiert, ob ein „zu viel“ an Zugang zu digitalen Medien für Kinder problematisch sein kann. Dies mag auch daran liegen, dass eine zu starke Fokussierung auf negative Aspekte und mögliche Risiken den Blick auf die positiven Alltagserfahrungen von Kindern und Jugendlichen verzerrt. Bedeutsam ist es in diesem Diskurs die Erfahrungen, Meinungen und Wünsche von Kindern und Jugendlichen zu berücksichtigen sowie deren Medienkompetenz zu fördern und die möglichen Risiken in der digitalen Welt zu minimieren, statt Kindern und Jugendlichen schlicht den Zugang zum digitalen Umfeld zu begrenzen.