FOKUS
Veröffentlicht am 06.05.24
Kinderrechte in der Kita: Fachkongress Frühkindliche Medienbildung am 26. April 2024 in Berlin
Jutta Croll, SDCRund einhundert Teilnehmende haben sich am Freitag, 26.04. in der Landesvertretung Baden-Württemberg in Berlin getroffen, um bei einem Fachkongress der Stiftung Digitale Chancen und der Stiftung Ravensburger Verlag über die Mediennutzung von Kindern im Vorschulalter zu diskutieren. Ausgangsbasis sind erste Ergebnisse der MiniKIM-Studie des medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest, die von Studienleiter Thomas Rathgeb vorgestellt wurden. Knapp ein Viertel der Kinder zwischen zwei und fünf Jahren nutzen täglich smarte Geräte wie Handys, Tablets, Laptops oder Sprachassistenten. Nimmt man Mediatheken, Streaming-Dienste, Computerspiele oder Apps dazu, sind es 44 Prozent der Kinder dieser Altersgruppe, die täglich digitale Angebote nutzen. Gegenüber 2020 hat auch der direkte Zugang der Kinder zu smarten Geräten zugenommen. Mit einer Steigerung um 50 Prozent hat nun jedes fünfte Kleinkind ein eigenes Tablet zur Verfügung, bei den Vorschulkindern (4-5 Jahre) sind es bereits 28 Prozent. Ebenso ist der Zugang der Kinder zu einem Streaming-Abo von acht auf aktuell 13 Prozent angestiegen. Jedes zehnte Kind im Alter von zwei bis fünf Jahren hat nach Angaben der Eltern bereits ein eigenes Handy oder Smartphone. Laut Rathgeb haben Familien eine sehr umfangreiche Medienausstattung. Indem Eltern diese Medien zunehmend auch kleinen Kindern zugänglich machten, wachse aber auch deren Verantwortung, die Mediennutzung zu begleiten und altersgerecht zu gestalten. Insgesamt wurden 600 Haupterziehende von 2- bis 5-Jährigen zur Mediennutzung ihrer Kinder befragt. Für Eltern ist die Mediennutzung ihrer kleinen Kinder eines der wichtigsten Themen: 89 Prozent der Mütter und Väter in Deutschland interessiert der Umgang von Kindern mit Medien, wie die Studie zeigt. Dieses Thema steht damit an dritter Stelle hinter Erziehung und Gesundheitsfragen.
Anknüpfend an diese Ergebnisse diskutierten Bianka Pergande, Geschäftsführerin Dt. Liga für das Kind und Sprecherin des Netzwerks Kinderrechte Deutschland, Ria Schröder, Mitglied der FDP-Fraktion des Deutschen Bundestags, Prof. Dr. Roland Rosenstock, Professor für Praktische Theologie, Religions- und Medienpädagogik an der Universität Greifswald und Dr. Martin Ritter, Bereichsleiter Bürgermedien und Medienkompetenz, Thüringische Landesmedienanstalt welche Herausforderungen sich für die Medienbildung im frühen Kindesalter und die Fachkräfte in Kitas ergeben. Bianka Perganda wies auf das Recht auf Nichtdiskriminierung und auf Zugang zu Informationen hin, das bereits seit 1989 in der UN-Kinderrechtskonvention verankert ist und durch die 25. Allgemeine Bemerkung über die Rechte der Kinder im digitalen Umfeld in 2021 konkretisiert wurde. Gleiches gilt für das Recht auf Bildung gem. Art. 28 UN-KRK, dessen Umsetzung allerdings, so Ria Schröder in geteilter Verantwortung liege; auf Bundesebene seien das Familienministerium für die frühe Erziehung zuständig, die Ausbildung der Fachkräfte sowie entsprechende Forschung falle in die Zuständigkeit des Bildungsministeriums, lokale Einrichtungen der frühen Bildung lägen häufig in kommunaler Verantwortung. Ebenen übergreifendes Denken und Handeln sei nötig, waren sich die Podiumsteilnehmenden einig, den schnellen Innovationszyklen im Bereich der Digitalisierung können man nur durch vorausschauende Zusammenarbeit begegnen.
Mit der Vorstellung des Auftrags der seit Mai 2021 mit der Novellierung des Jugendschutzgesetzes etablierten Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ), startete der Kongress nach der Mittagspause in den zweiten Teil. Orientierung für Kinder und Jugendliche selbst sowie für Erziehungsverantwortlich soll durch die BzKJ gefördert werden. Erste Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt „Kindgerechte Zugänge zum Internet“ das die Stiftung Digitale Chancen im Auftrag der BzKJ durchführt, zeigen, dass auch jüngere Kinder sich mittels digitaler Medien mit Gleichaltrigen austauschen und gemeinsam spielen und lernen möchten. Laut Sebastian Gutknecht, Direktor der BzKJ, kann die aktuell verfügbare Angebotslandschaft dieses Bedürfnis jedoch nur teilweise erfüllen. „Dem soll das in 2024 von der BzKJ aufgelegte Förderprogramm für Angebote, die Kindern altersgerechte digitale Erfahrungen ermöglichen und Orientierung bieten, Abhilfe schaffen, denn auch kleinere Kinder sollten Zugang zu digitaler Kommunikation und Interaktion haben und bei der Nutzung unterstützt werden, um ein gutes Aufwachsen mit Medien zu gewährleisten. Nach einem Blick auf der Status Quo der Kinderangebotslandschaft sowie der Vorstellung der Angebote Webbyversum durch Katy Gillner, Universität Greifswald, sowie Toggo, durch Birgit Guth, RTL begann die Vorstellung von Forschungsergebnissen aus dem Feld der Pädagogik. Prof. Dr. Fabienne Becker-Stoll, Direktorin Bayrisches Staatsinstitut für Frühpädagogik, berichtete über die Digitalisierungsstrategie KITA in Bayern, Dr. Claudia Lampert, Leiterin des Forschungsprogramms „Wissen für die Mediengesellschaft“ am Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut informierte über smarte Endgeräte und deren Nutzung in Familien mit Kindern und Prof. Dr. Ines Sura, Juniorprofessorin für Medienpädagogik und Medienbildung an der Universität Greifswald erläuterte, wie Medienbildung und Gesundheitsförderung in der Kita Hand-in-Hand gehen können. Abschließend diskutierten die Referentinnen, wie das Kinderrecht auf Medienbildung in der Kita und die Vorgaben für die frühkindliche Medienbildung, die sich aus der Allgemeinen Bemerkung Nr. 25 ergeben, in der Praxis umgesetzt werden können und welche Forschungsdesiderate weiter bestehen. Das aktuell vom Bundesbildungsministerium aufgelegt Förderprogramm „Medien in der frühen Bildung“ wird dazu beitragen, evidenzbasierte Praxis in den Einrichtungen der frühen Bildung voranzubringen und die Ausbildung von Fachkräften zu stärken. Gleichzeitig sind die in der Praxis gewonnenen Erfahrungen wichtig für die Forschung und die Forschungsergebnisse eine notwendige Grundlage künftiger politischer Entscheidungen. Es bleibe eine Herausforderung für alle Beteiligten, mit angemessenen Bildungsstrategien und Konzepten auf die schnellen Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung zu reagieren, so Jutta Croll, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Digitale Chancen. Das Interesse der Mitwirkenden und Teilnehmenden an der Veranstaltung zeige jedoch die hohe Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme für ein gutes Aufwachsen mit Medien von Anfang an.
Die Präsentationen der Referent*innen sowie weitere Fotos von der Veranstaltung finden Sie unter folgendem Link.