BERICHTE UND PUBLIKATIONEN
Allgemeine Bemerkung Nr. 25 (2021) - Kapitel VI: Grundrechte und Freiheiten E 2 - F und Kapitel VII: Gewalt gegen Kinder Teil 1
Personenbezogene Daten von Kindern sollen nur denjenigen Behörden, Organisationen und Einzelpersonen zugänglich sein, die nach dem Gesetz unter Einhaltung von Verfahrensgarantien wie regelmäßigen Audit- und Rechenschaftspflichten für die Datenverarbeitung zuständig sind. Daten von Kindern, die zu bestimmten Zwecken in gleich welchem Umfeld einschließlich digitalisierter Strafregister erhoben werden, sollen geschützt und ausschließlich für diese Zwecke verwendet werden und nicht unrechtmäßig oder unnötig verwahrt oder für andere Zwecke benutzt werden. Wenn in einem Umfeld Informationen zur Verfügung stehen, die dem betreffenden Kind in einem anderen Umfeld auf legitime Weise zugutekommen könnten, z.B. im Zusammenhang mit der Schul- und Hochschulausbildung, soll die Verwendung solcher Daten transparent und nachvollziehbar sein und die Zustimmung des Kindes bzw. seiner Eltern oder Betreuenden voraussetzen.
Privatsphärebezogene und Datenschutzvorschriften und -maßnahmen sollen nicht willkürlich andere Rechte von Kindern einschränken, z.B. ihr Recht auf freie Meinungsäußerung oder Schutz. Die Vertragsstaaten sollen sicherstellen, dass die Datenschutzvorschriften die Privatsphäre und die personenbezogenen Daten von Kindern in Bezug auf das digitale Umfeld respektieren. Durch kontinuierliche technologische Innovation erstreckt sich die Reichweite des digitalen Umfelds auf immer mehr Dienstleistungen und Produkte wie z. B. Kleidung und Spielzeug. Da Umgebungen, in denen sich Kinder aufhalten, durch den Einsatz eingebetteter Sensoren in Verbindung mit automatisierten Systemen zunehmend „vernetzt“ werden, sollen die Vertragsstaaten sicherstellen, dass die Produkte und Dienstleistungen, die zu solchen Umgebungen beitragen, strikten Datenschutzbestimmungen und anderen Privatsphärevorschriften und -richtlinien unterliegen. Dazu gehört der öffentliche Raum mit Straßen, Schulen, Bibliotheken, Sport- und Freizeiteinrichtungen und Geschäftsräumen wie Läden und Kinos ebenso wie Privatwohnungen.
Jegliche digitale Überwachung von Kindern sowie die damit verbundene automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sollte das Recht des Kindes auf Privatsphäre achten und nicht routinemäßig, wahllos oder ohne das Wissen des Kindes bzw. im Fall sehr kleiner Kinder, ohne das Wissen der Eltern oder Betreuenden erfolgen. In kommerziellen Umgebungen oder Bildungs- und Betreuungseinrichtungen sollte eine solche Überwachung nur stattfinden dürfen, wenn das betroffene Kind berechtigt ist, dieser zu widersprechen. Dabei sollte stets das am wenigsten in die Privatsphäre eingreifende zweckdienliche Mittel gewählt werden.
Das digitale Umfeld stellt Eltern und Betreuende bei der Wahrung des Kinderrechts auf Privatsphäre vor besondere Probleme. Technologien, die Online-Aktivitäten zu Sicherheitszwecken überwachen, wie etwa Nachverfolgungsgeräte und -dienste, können, wenn sie nicht sorgfältig eingesetzt werden, ein Kind daran hindern, eine Beratungsstelle anzusprechen oder nach sensiblen Informationen zu suchen. Die Vertragsstaaten sollen Kinder, Eltern und Betreuende sowie die Öffentlichkeit über die Bedeutung des Kinderrechts auf Privatsphäre informieren und darüber aufklären, dass auch ihre eigenen Praktiken dieses Recht gefährden können. Diese Aufklärung soll auch Informationen darüber umfassen, mit welchen Praktiken die Privatsphäre von Kindern im digitalen Umfeld bei gleichzeitiger Wahrung ihrer Sicherheit geachtet und geschützt werden kann. Die Überwachung der digitalen Aktivitäten eines Kindes durch Eltern und Betreuende sollte verhältnismäßig sein und im Einklang mit den sich entwickelnden Fähigkeiten des Kindes stehen.
Viele Kinder nutzen im Internet Avatare oder Pseudonyme, die ihre Identität schützen. Solche Praktiken können für den Schutz der Privatsphäre von Kindern wichtig sein. Die Vertragsstaaten sollen einen Ansatz fordern, der integrierte Sicherheitskonzepte (Safety by Design) und Datenschutz durch Technikgestaltung (Privacy by Design) mit Anonymisierung verbindet und zugleich sicherstellt, dass anonyme Praktiken nicht regelmäßig dazu verwendet werden, schädliches oder rechtswidriges Verhalten wie Cyberaggression, Hassbotschaften oder sexuelle Ausbeutung und Missbrauch zu kaschieren. Von entscheidender Bedeutung kann der Schutz der Privatsphäre eines Kindes im digitalen Umfeld sein, wenn Eltern oder Betreuende selbst eine Bedrohung für die Sicherheit des Kindes darstellen oder um dessen Betreuung streiten. In solchen Fällen können weiteres Eingreifen, eine Familienberatung oder andere Dienstleistungen erforderlich sein, um das Recht des Kindes auf Privatsphäre zu schützen.
Anbietende digitaler Präventions- oder Beratungsdienste für Kinder sollen von der Anforderung befreit sein, dass ein Kind für die Inanspruchnahme einer solchen Dienstleistung die Zustimmung seiner Eltern einholen muss. In Bezug auf Privatsphäre und Kinderschutz sollen für solche Dienste hohe Anforderungen gelten.
Die Vertragsstaaten sollen den Einsatz digitaler Identifikationssysteme fördern, mit denen die Geburt jedes neugeborenen Kindes registriert und von den nationalen Behörden offiziell anerkannt werden kann, um dem Kind den Zugang zu Dienstleistungen u.a. in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Fürsorge zu erleichtern. Ohne Geburtsregistrierung kommt es umso eher zu Verstößen gegen die im Übereinkommen mit zugehörigen Fakultativprotokollen definierten Kinderrechte. Die Vertragsstaaten sollen moderne Technologien wie mobile Registrierungsstellen einsetzen, um den Zugang zur Geburtsregistrierung zu gewährleisten, insbesondere für Kinder in entlegenen Regionen, geflüchtete Kinder und migrierte Kinder, für Kinder, die gefährdet oder marginalisiert sind, sowie für Kinder, die vor der Einführung digitaler Identifikationssysteme geboren wurden. Damit solche Systeme den Kindern zugutekommen, sollen die Staaten Sensibilisierungskampagnen durchführen, Überwachungsmechanismen (Monitoringmechanismen) einrichten, die Mitwirkung des sozialen Umfeldes fördern und eine effektive Koordinierung zwischen den einzelnen Akteur:innen wie Standesbeamt:innen, Richter:innen, Notar:innen, Gesundheitsbediensteten und Mitarbeitenden von Kinderschutzbehörden sicherstellen. Sie sollen zudem sicherstellen, dass Rahmenbedingungen für einen umfassenden Schutz der Privatsphäre und den Datenschutz vorhanden sind.
Das digitale Umfeld kann neue Mittel und Wege zur Ausübung von Gewalt gegen Kinder schaffen, etwa indem es Situationen ermöglicht, in denen Kinder Gewalt erleben und/oder beeinflusst werden können, sich selbst oder anderen Schaden zuzufügen. Krisen wie z.B. Pandemien können die Gefahr online erlittener Schäden erhöhen, da Kinder unter solchen Umständen mehr Zeit in virtuellen Umgebungen verbringen.
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F. Geburtsregistrierung und Recht auf Identität
VII. Gewalt gegen Kinder
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