BERICHTE UND PUBLIKATIONEN
Allgemeine Bemerkung Nr. 25 (2021) - Kapitel XII: Besondere Schutzmaßnahmen
XII. Besondere Schutzmaßnahmen
A. Schutz vor wirtschaftlicher, sexueller und sonstiger Ausbeutung
Kinder sollen vor allen Formen der Ausbeutung geschützt werden, die ihr Wohlergehen in Bezug auf das digitale Umfeld beeinträchtigen. Ausbeutung kann in vielerlei Gestalt auftreten, z. B. als wirtschaftliche Ausbeutung bis hin zur Kinderarbeit, als sexuelle Ausbeutung und sexueller Missbrauch, als Verkauf von, Handel mit und Entführung von Kindern oder als Anstiftung von Kindern zu kriminellen Handlungen u.a. in Form von Cyberkriminalität. Durch das Erstellen und Teilen von Inhalten können Kinder im digitalen Umfeld zu wirtschaftlichen Akteur:innen werden, was ihre Ausbeutung zur Folge haben kann.
Die Vertragsstaaten sollen ihre einschlägigen Gesetze und Maßnahmen überprüfen und sicherstellen, dass Kinder vor wirtschaftlichen, sexuellen und anderen Formen der Ausbeutung geschützt sowie ihre Rechte in Bezug auf Arbeit im digitalen Umfeld und die damit verbundenen Möglichkeiten der Entlohnung gewahrt sind.
Die Vertragsstaaten sollen sicherstellen, dass geeignete Durchsetzungsmechanismen existieren, und Kinder, Eltern und Betreuende dabei unterstützen, Zugang zu den geltenden Schutzmaßnahmen zu erhalten. Sie sollen mithilfe von Gesetzen sicherstellen, dass Kinder vor schädlichen Waren wie Waffen oder Drogen und vor Dienstleistungen wie Glücksspiel geschützt sind. Mit zuverlässigen Altersverifikationssystemen soll verhindert werden, dass Kinder Zugang zu Produkten und Dienstleistungen erhalten, deren Besitz oder Nutzung ihnen gesetzlich untersagt sind. Solche Systeme sollen mit den Anforderungen des Datenschutzes und der Datensicherung vereinbar sein.
In Anbetracht der Verpflichtung der Vertragsstaaten zur Ermittlung, Verfolgung und Bestrafung von Menschenhandel, dessen Teilaspekten und damit verbundenen Verhaltensweisen sollen die Vertragsstaaten ihre Gesetze zur Bekämpfung des Menschenhandels um ein Verbot der technologiegestützten Anwerbung von Kindern durch kriminelle Gruppen erweitern und aktualisieren.
Die Vertragsstaaten sollen sicherstellen, dass Kinder durch geeignete Gesetze vor Straftaten im digitalen Umfeld einschließlich Betrug und Identitätsdiebstahl geschützt sind, und ausreichende Ressourcen dafür bereitstellen, dass Straftaten im digitalen Umfeld verfolgt und geahndet werden. Um das Risiko solcher Straftaten zu minimieren, sollen die Vertragsstaaten zudem ein hohes Maß an Cybersicherheit, integrierten Sicherheitskonzepten (Safety by Design) und Datenschutz durch Technikgestaltung (Privacy by Design) in den von Kindern genutzten digitalen Diensten und Produkten verlangen.
Kinder können der Internetkriminalität beschuldigt, angeklagt oder überführt werden. Die Vertragsstaaten sollen sicherstellen, dass die politischen Entscheidungsträger:innen die Auswirkungen solcher Gesetze auf Kinder berücksichtigen, sich auf die Prävention konzentrieren und alle Anstrengungen unternehmen, um Alternativen zur strafrechtlichen Verfolgung zu schaffen und zu nutzen.
Von Kindern selbst erstelltes Material mit sexuellem Inhalt, das sie besitzen oder freiwillig teilen und das ausschließlich für ihren eigenen privaten Gebrauch bestimmt ist, soll nicht kriminalisiert werden. Es sollen kinderfreundliche Wege eingerichtet werden, mit denen Kinder auf sichere Art und Weise Rat und Hilfe in Bezug auf selbst erstellte eindeutig sexuelle Inhalte suchen können.
Die Vertragsstaaten sollen sicherstellen, dass digitale Technologien, Überwachungsmechanismen wie z. B. Gesichtserkennungssoftware und die Erstellung von Risikoprofilen zur Verhütung, Ermittlung und Verfolgung von Straftaten nicht in unfairer Weise gegen Kinder verwendet werden, die einer Straftat verdächtigt oder angeklagt sind. Sie sollen auch nicht auf eine Art und Weise eingesetzt werden, die ihre Rechte verletzt, insbesondere ihr Recht auf Privatsphäre, Würde und Versammlungsfreiheit.
Der Ausschuss ist sich darüber im Klaren, dass die Digitalisierung von Gerichtsverfahren zu einem Mangel an persönlichem Kontakt mit den Kindern führen kann und sich dies auf rehabilitierende und wiedergutmachende Justizmaßnahmen, die den Aufbau einer Beziehung zum Kind voraussetzen, nachteilig auswirken kann. In solchen Fällen, ebenso wie bei Freiheitsentzug für Kinder, sollen die Vertragsstaaten persönliche Kontaktmöglichkeiten schaffen, die Kindern einen sinnvollen Austausch mit der Gerichtsbarkeit ermöglichen und die ihre Rehabilitation erleichtern.
Das digitale Umfeld kann Kindern in besonders schutzbedürftigen Lebenslagen, etwa im Rahmen bewaffneter Konflikte, im eigenen Land vertriebenen Kindern, migrierten Kindern, asylsuchenden, geflüchteten und unbegleiteten, obdachlosen und von Naturkatastrophen betroffenen Kindern, Zugang zu lebensrettenden Informationen bieten, die für ihren Schutz unverzichtbar sind. Das digitale Umfeld kann ihnen auch die Möglichkeit bieten, Kontakt zu ihren Familien zu halten, Zugang zu Bildung, Gesundheit und anderen grundlegenden Dienstleistungen zu erhalten und sich Nahrung und eine sichere Unterkunft zu verschaffen. Die Vertragsstaaten sollen diesen Kindern einen sicheren, geschützten, persönlichen und hilfreichen Zugang zum digitalen Umfeld gewährleisten und sie vor Gewalt, Ausbeutung und Missbrauch in jeglicher Form schützen.
Die Vertragsstaaten sollen sicherstellen, dass Kinder nicht über das digitale Umfeld rekrutiert oder in (bewaffneten) Konflikten eingesetzt werden. Dies umfasst die Prävention, Kriminalisierung und Sanktionierung der verschiedenen Formen technologiegestützter Anwerbung und des Einschleichens in das Vertrauen von Kindern (Grooming) z. B. mittels sozialer Netzwerke oder Chatdienste in Onlinespielen.
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B. Jugendrechtspflege
C. Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten, Kindermigrant:innen und Kindern in anderen prekären Situationen
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